Digitale Wirtschaft stärken – Innovation für Hessens Zukunft

Erweiterung des Konzeptpapiers DIGITALES HESSEN

Die Wettbewerbsfähigkeit und der Erfolg der hessischen digitalen Wirtschaft sind untrennbar mit dem Breitbandausbau verbunden. In Südhessen konnte sich zwar bereits ein starkes IKT-Wirtschaftszentrum etablieren, doch gerade im ländlichen Raum finden sich Innovationspotenziale, auf die Hessen keinesfalls verzichten kann. Die digitale Wirtschaft funktioniert dezentral, und gerade strukturschwachen Regionen bietet sie enorme, leicht zu erschließende Entwicklungsperspektiven.

Hessen braucht eine Initiative zur Förderung der digitalen Wirtschaft, die von kleinen Unternehmen über mittelständische Firmen bis hin zu Großunternehmen und von der Kreativwirtschaft bis zur Industrie- und Bankenbranche alle Bereiche umfasst und deren Vernetzung fördern soll. Ziel dieses neuen digitalen Clusters ist das gezielte Vernetzen von Ideen, um Innovationspotenziale an den Schnittstellen der alten und neuen Wirtschaft zu nutzen, um Hessen zum Spitzenreiter zu machen – sei es in der Vernetzung der realen mit der virtuellen Welt, in intelligenten Stromnetzen oder in neuer vernetzter Mobilität.

1. Forschung und Entwicklung als Motor der digitalen Zukunft

Die IKT-Forschung hat in Hessen Tradition. Hier baute Konrad Zuse den ersten Computer. Auch heute verfügt Hessen über eine gute IKT-Forschung. An der Hälfte aller hessischen Universitäten wird die Forschung in diesem Bereich von insgesamt rund 350 Professoren und ihren Mitarbeitern vorangetrieben.

Leider schlägt sich die gute universitäre Basis noch nicht in der Anzahl der jährlichen Patente nieder. So meldeten in Hessen 2012 nur 40 von je 1 Mio. Bürgerinnen und Bürgern ein IKT-bezogenes Patent an – und damit nicht einmal halb so viele wie in vergleichbaren Bundesländern wie Bayern (107 Patente) oder Baden-Württemberg (111 Patente). Patente sind ein wichtiger Fortschrittsindikator und zeigen, dass Hessen hier noch Nachholbedarf hat.

Wir regen an, in den nächsten Jahren zu ergründen, warum der Ertrag der Ausgaben für IKT-bezogene Forschung und Entwicklung noch nicht optimal ist. Eine Vereinfachung der Patentanmeldung, aber auch eine Erhöhung des Anteils der IKT-bezogenen FuE-Förderung, ist eine logische Konsequenz aus dem technologischen Wandel.

2. Talente fördern, Hochschulen stärken, Ausbildung digitalisieren

Hessen soll auch in Ausbildung und Hochschule das IT-Land Nr. 1 werden. Rund 11 Mrd. Euro Umsatz entgehen deutschen IT-Unternehmen jährlich durch Wissens- und Kompetenzverlust. Wir fordern dazu neben einem Ausbau der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) an Schulen und Universitäten eine Modernisierung der Forschungsumgebung hin zu einer echten transdisziplinären Forschung über Fragen des Internets und der Informationsgesellschaft.

Wir fordern zudem den Aufbau einer hessischen Hochschul-Cloud als zentrale Content- und Kooperationsplattform für Hochschulen, die vorhandene Ressourcen in die Erstellung und regelmäßige Überarbeitung von Lerninhalten leitet, welche gemeinsam genutzt und weiterentwickelt werden.

3. Wirtschaftsförderung – Hessen als Innovationsstandort stärken

Eine starke digitale Wirtschaft ist ein zentraler Motor für Innovation, Wachstum und Beschäftigung in Hessen. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern, müssen gezielte Maßnahmen zur Förderung von Unternehmen ergriffen werden – von der Vernetzung bestehender Akteure über die Unterstützung von Startups bis hin zur Entwicklung neuer Förderinstrumente.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Stärkung digitaler Cluster, um den Austausch zwischen Wirtschaft, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu intensivieren. Zudem sollen Startups gezielt unterstützt werden, etwa durch einen Gründerfonds oder durch Wettbewerbe, die innovative Geschäftsideen fördern. Durch diese Maßnahmen kann Hessen seine Position als führender IT-Standort in Deutschland weiter ausbauen und sich als attraktiver Wirtschaftsraum für digitale Unternehmen etablieren.

3.1 Digitale Cluster: Innovation durch Vernetzung stärken

Mit einer noch intensiveren Vernetzung der Kompetenzen in der Wirtschaft, den Hochschulen, bei Technologiezentren, öffentlichen Versorgern und zwischen Industriebereichen wollen wir ganz Hessen als ein digitales Cluster an der Schnittstelle von öffentlich und privat weiterentwickeln.

Gemeinsam wollen wir Kernprojekte entwickeln, bei denen ein besonders konzentriertes Handeln notwendig ist. Mit einem Online-Portal für Entwickler wollen wir neue Räume für Vernetzung und Austausch schaffen, um Ideen miteinander zu verknüpfen und Wege zu Investoren und monetärer Förderung zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Mit einem digitalen Raum wollen wir Wirtschaft, Institutionen der öffentlichen Hand sowie Wissenschaft und Forschung noch stärker vernetzen, um konkrete Maßnahmen zu entwickeln, die die Zukunftsfähigkeit dieses Standorts im nationalen und internationalen Wettbewerb sichern.

3.2 Startup-Förderung – Wachstum durch Ansiedelung und Risikofonds sichern

Vor allem Jungunternehmen hängen stark von Bankkrediten ab. Mit einem Gründerfonds wollen wir Beteiligungen der öffentlichen Hand als strategischer – nicht als Finanzinvestor – an Unternehmen ermöglichen. Der Gründerfonds könnte über die WI-Bank abgewickelt werden, die über die Beteiligungen entscheidet und diese mit Know-how unterstützt.

Ziel des Gründerfonds ist es, eine bessere Stabilität und finanziell bessere Rahmenbedingungen für kreative Unternehmer zu bieten.

3.3 Gründerwettbewerb – Innovation gezielt fördern

Wir schlagen einen hessischen Gründerwettbewerb für die IT-Branche vor. Ein solcher hätte den Vorteil, dass er vergleichsweise wenig Kosten verursacht, vor allem dann, wenn die Wirtschaft einbezogen wird: Zur Markterprobung innovativer Softwareideen sind keine Millionenbeträge erforderlich. Anschubfinanzierungen im niedrigen fünfstelligen Bereich genügen oftmals.

Entsprechend sollte der Wettbewerb dotiert sein. Als Vorbild könnte der “Gründerwettbewerb – IKT Innovativ” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie dienen, um Unternehmensgründungen zu unterstützen, bei denen innovative Informations- und Kommunikationstechnik zentraler Bestandteil des Produkts oder der Dienstleistung ist.

4. Zukunftsbranchen – Wachstumspotenziale gezielt nutzen

Informationstechnologie ist ein Wachstumstreiber. Sie erleichtert den Alltag, bietet Menschen Arbeitsplätze, steigert die Produktivität in allen Wirtschaftsbereichen und kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und Energieeinsparung leisten. Die digitale Wirtschaft ist deshalb die Schlüsselbranche für die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft.

4.1 Green IT – Nachhaltige Digitalisierung für Hessen

Für eine erfolgreiche Gestaltung der Energiewende wird es in den nächsten Jahren von besonderer Bedeutung sein, dass auch die IT-Branche ihren Teil dazu beiträgt – durch energieeffiziente und ressourcenschonende Arbeitsweisen sowie durch Innovationen, die es Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen, ihren Energiebedarf zu senken. Unser Ziel ist es, Stromerzeugung, Speicherung und Verbrauch durch die Schaffung intelligenter Stromnetze, sogenannter Smart Grids, intelligent zu verbinden.

Wir wollen das Netz aus vielen dezentralen Stromerzeugern so organisieren, dass nur so viel Strom produziert wird, wie auch wirklich benötigt wird, und der Strom dorthin fließt, wo er tatsächlich gebraucht wird. Hessen soll so zum ersten Bundesland mit einem Smart Grid werden. Dazu sollen auch alle Haushalte mit intelligenten Stromzählern ausgestattet werden, um den Energieverbrauch transparent zu machen und das Verbrauchsmanagement zu optimieren. Doch nicht nur Stromnetze, sondern auch Verkehrsnetze können vom stärkeren Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien profitieren. Mit einem regionalen Pilotprojekt wollen wir die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger, individueller und öffentlicher Mobilität vorantreiben, um den intelligenten Einsatz der Verkehrsmittel zu optimieren.

Bereits heute verantwortet die IKT-Branche in Deutschland mehr als ein Zehntel des Stromverbrauchs. Dieser Bedarf wächst bisher stetig. Hinzu kommt die Problematik des Recyclings technischer Geräte mit immer kürzerer Halbwertszeit sowie die Verwendung seltener und schwierig zu fördernder Ressourcen. Um diesen Problemen zu begegnen, braucht Hessen eine Strategie zur Förderung nachhaltiger IKT-Konzepte. Mit dieser soll die IKT-Wirtschaft dazu angehalten werden, ressourcenschonender zu arbeiten, indem gezielt jene Wirtschaftsbereiche gefördert werden, die Angebote zur energieeffizienten Technologienutzung hervorbringen.

Auch das Land selbst muss mit gutem Vorbild vorangehen und den eigenen Verbrauch hinterfragen. Deshalb sollte sich das Land Hessen verpflichten, bei der technischen Ausstattung der eigenen Verwaltung künftig nur noch solche Geräte anzuschaffen, die weitgehenden Energieeffizienzstandards entsprechen. Gerade die Modernisierung von Staat, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft durch IT-Einsatz kann auch der Einsparung von Haushaltsmitteln ohne Qualitätsverlust dienen. Dabei sind zwischenzeitliche Mehrkosten durch Investitionen und hybride Verfahren sorgfältig zu kalkulieren, damit sich diese in der Gesamtbilanz nicht negativ auswirken.

5.1 Künstliche Intelligenz – Forschungsstärke nutzen und Anwendungen ausbauen

Die Forschung zu Künstlicher Intelligenz hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Besonders vielversprechend sind neuronale Netzwerke, die sich in Bereichen wie Spracherkennung, Bilderkennung und maschinellem Lernen als äußerst leistungsfähig erweisen. Erst kürzlich haben Forscher gezeigt, dass durch den Einsatz von Deep Learning in der Bilderkennung erhebliche Verbesserungen erzielt werden können. Deutschland verfügt über eine starke universitäre KI-Forschung, doch bislang sind praktische Anwendungen in der Wirtschaft noch wenig verbreitet. Während große Technologieunternehmen in den USA bereits in KI-basierte Suchalgorithmen und personalisierte Empfehlungssysteme investieren, fehlt es in Deutschland an gezielten Förderprogrammen, um Wissenschaft und Wirtschaft stärker zu vernetzen.

Hessen sollte daher gezielte Förderprogramme für KI-Anwendungen in Wirtschaft und Verwaltung auflegen, um die Entwicklung und Implementierung neuer Technologien voranzutreiben. Zudem muss eine bessere Vernetzung zwischen Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen geschaffen werden, damit praxisnahe KI-Lösungen entwickelt und effizient genutzt werden können. Gleichzeitig sollte der Einsatz von KI in der Verwaltung geprüft werden, um Prozesse zu optimieren und Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten – allerdings unter der Voraussetzung, dass hohe Datenschutzstandards gewahrt bleiben.

5.2 Cloud-Computing – Hessen als Standort für sichere Cloud-Infrastrukturen

Cloud-Computing bietet Unternehmen und Verwaltungen die Möglichkeit, flexibel und kosteneffizient IT-Ressourcen zu nutzen. Während große internationale Anbieter wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud den Markt dominieren, gibt es in Deutschland datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber der Speicherung sensibler Daten in US-amerikanischen Cloud-Infrastrukturen.

Gleichzeitig erkennen immer mehr Unternehmen den wirtschaftlichen Nutzen von Cloud-Technologien – sei es für Softwarelösungen, Datenanalyse oder digitale Zusammenarbeit. Insbesondere für mittelständische Unternehmen bietet Cloud-Computing die Chance, mit geringeren Kosten auf leistungsfähige IT-Lösungen zuzugreifen.

Hessen sollte sich daher frühzeitig mit diesem Trend auseinandersetzen, indem sichere Cloud-Infrastrukturen gefördert werden, um Unternehmen Alternativen zu internationalen Anbietern zu bieten. Zudem müssen Rechtssicherheit und Datenschutz in der Cloud-Nutzung gestärkt werden, um Vertrauen in diese Technologie zu schaffen. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Prüfung einer Hessen-Cloud als Pilotprojekt, das insbesondere für die Verwaltung und den Mittelstand genutzt werden kann.

5.3 Plattformökonomie – Hessens Unternehmen auf den digitalen Wandel vorbereiten

Die Digitalisierung verändert nicht nur bestehende Geschäftsmodelle, sondern bringt mit digitalen Plattformen eine völlig neue Wirtschaftsstruktur hervor. Unternehmen wie Amazon, Facebook, Google und Apple dominieren zunehmend den digitalen Markt, indem sie als Vermittler zwischen Verbrauchern und Anbietern auftreten. Diese Plattformökonomie beginnt, klassische Branchen zu verdrängen – sei es im Handel, in der Medienbranche oder im Dienstleistungssektor.

Hessens Unternehmen müssen sich frühzeitig auf diese Entwicklung einstellen. Während es in Deutschland bereits erste Plattform-Startups gibt, fehlt es bislang an einer breiten politischen und wirtschaftlichen Strategie, um die Abhängigkeit von internationalen Plattformen zu verringern und eigene digitale Geschäftsmodelle zu fördern. Deshalb sollen Startups und Mittelständler gezielt unterstützt werden, die eigene digitale Plattformmodelle entwickeln. Zudem ist der Aufbau einer Netzwerkinitiative für hessische Unternehmen notwendig, um Best Practices für die digitale Transformation zu teilen. Darüber hinaus müssen die langfristigen Auswirkungen der Plattformökonomie auf Beschäftigung und Wettbewerb analysiert werden, um geeignete wirtschaftspolitische Maßnahmen zu entwickeln.

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By danielmack

Über mich

Tech-Optimist. Aktiv als Mitglied in Parlamenten und in der Wirtschaft als Strategie- und Politikberater mit dem Fokus auf Technologie, Innovation, Digitalisierung und Mobilität.

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